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Sonntag, 16. Februar 2014

Des Landrats Nebeneinkünfte - wem nutzen sie?

Der Landrat zu Gütersloh legt seine Nebeneinkünfte gemäß Korruptionsbekämpfungsgesetz offen. Er gehe über die gesetzliche Forderung hinaus und liste sogar seine Gremientätigkeiten auf, sagt er. Dieses Jahr sind es 35 Nebentätigkeiten, insgesamt verdiente er 41.537 Euro dazu.  566,92 Euro davon fließen in die Kasse des Kreises. Die Transparenz ist richtig. Nur die Messlatten fehlen: an was lässt sich erkennen, wozu seine Tätigkeit taugt?



Es ist nichts Neues, dass der Landrat so viel Geld durch Nebeneinkünfte verdient. Neu ist, dass die Steigerungen in den Nebeneinkünften ganz beachtlich sind. 

 

Nun soll keine Neiddebatte entstehen. Die Erregung über den Nebenverdienst kann man turnusmäßig jedes Jahr aufs Neue anheben. Ich selbst schreibe nun schon zum 3. Mal darüber,2011 und 2013. 2010 verdiente der Landrat 27.687,47 Euro dazu. 820,67 Euro gingen an den Kreis. 2011 erhielt er noch rund 26.000 Euro und Null Euro gingen an den Kreis (abgesehen von den 3.000 Euro für die Tätigkeit beim RWE Nord, hier hatte das BVerwG entschieden). Für 2012 waren es rund 34.000 Euro und rund 600 Euro gingen an den Kreis.  Für 2013 sind es 41.537 Euro Zuverdienst, an den Kreis gehen rund 600 Euro. 

Während sich sein Zuverdienst Jahr für Jahr steigert, bleibt der Beitrag, den er an die Kreiskasse abführen muss verschwindend gering. In den Protokollen des Kreisausschusses steht in den Jahren lediglich, die Politik habe dies "zur Kenntnis" genommen. Eine Ausnahme machte 2012 die UWG/FWG-Fraktion, die die Einnahmen aus den Sparkassenfunktionen hinterfragte und mehr Transparenz einforderte.

In einer Vorlage für den Kreisausschuss am 17.2.2014 findet sich der Passus von Landrat Adenauer, er gehe mit seiner Veröffentlichung über das geforderte Maß der Gesetze hinaus. Immerhin lege er auch seine Gremientätigkeiten dar, die zu den vertraulich zu behandelnden Personalangelegenheiten zählten.

Nun ist die Offenlegung seiner Einkünfte ein richtiger Schritt - angenommen es sind alle genannt. Die eigentliche Botschaft würde entstehen, legte man weitere Parameter oder Messlatten an, um bewerten zu können, was er eigentlich dafür leistet und für wen.


1. Zeitkontingent

Der Landrat übt 35 Nebentätigkeiten aus, darunter auch ehrenamtliche und unbezahlte. Die Frage stellt sich, wie diese Masse an Terminen überhaupt nebenberuflich zu bewältigen ist. 

Hauptberuflich hat der Landrat die Leitung der Kreisverwaltung inne und übt die Repräsentation des Kreises Gütersloh aus. Zu seinen Aufgaben zählt nicht nur die Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung, die gesetzliche Vertretung des Kreises, die Erledigung der vom Kreisausschuss übertragenen Angelegenheiten, die Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse des Kreistages und des Kreisausschusses, sondern darüber hinaus ist dem Landrat im Wege der Organleihe die Funktion der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde (§§ 58 ff. KrO) zugewiesen. Im Wesentlichen nimmt er damit Aufgaben der staatlichen Aufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden wahr. Er ist also Rechstaufsichtsbehörde und stellt sicher, dass die Verwaltung der Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen erfolgt. Etwa wenn es um deren mögliche Haushaltssicherung geht. Zum anderen leitet er im Auftrag des Landes NRW die Kreispolizeibehörde.  

Nun hat auch für einen Landrat der Tag nur 24 Stunden und die Woche nur sieben Tage. Wie ist das alles zu schaffen, so dass die eigentliche Aufgabe, sich um das Wohlergehen des Kreises und seiner Bürger zu kümmern nicht auf der Strecke bleibt.

Neben der Offenlegung der Nebeneinkünfte sollte daher künftig auch der Terminkalender des Landrates offengelegt werden, aus dem sich ein Stundenkontingent ergibt, wie viel Zeit er im Wesentlichen für seine Kernaufgaben verwendet - und wie viel Zeit für Nebensächliches.

 
2. Durchschnittliches Jahreseinkommen

Der Landrat vertritt die Bürger des Kreises. Im Kreis Gütersloh leben rund 350.000 Menschen. Ihr statistisches Durchschnittseinkommen lag beispielsweise 2009 bei 22.587 Euro. Zur Erinnerung: 2010 verdiente der Landrat rund 27 T Euro - Nebeneinkunft. Im Jahr 2011 lag das Durchschnittseinkommen der Kreiseinwohner bei 27.101 Euro, etwas mehr als die Nebeneinkünfte des Landrates.


3. Nicht-Öffentliche Sitzungen

Gleichzeitig zur Höhe der Nebeneinkünften ist zu fragen, wie stark eigentlich die Anzahl der Sitzungen angestiegen ist, die im Kreis und in einzelnen Gremien nicht-öffentlich durchgeführt wurden. Und wie viele Sitzungen davon die Quellen für die Nebeneinkünfte des Landrates berühren. Hier sind besonders die Sparkassen, EON und RWE zu nennen. Die Offenlegung der Einkünfte ist dabei nur die eine Seite der Medaille. Die Frage ist, was dort geleistet wurde und zu wessen Nutzen. Wirkt man in einem Verwaltungsrat mit, ist man demjenigen Haus verpflichtet, für das man dort sitzt - und nicht in erster Linie dem Kreis und seinen Bürgern. 

Ganz besonders lukrativ stellen sich die Einnahmen folgender Tätigkeiten dar:
Tätigkeiten im Sparkassenbereich / Nichtabführungspflichtige Einnahmen
1. Verbandsversammlung (unentgeltlich), Verbandsverwaltungsrat, Träger- und Akademieausschuss des 8.200,00 € Sparkassenverband Westfalen-Lippe
2. Verbandsversammlung (unentgeltlich), Verwaltungsrat, Haupt- und Risikoausschuss der 4.500,56 € Kreissparkasse Wiedenbrück, Kuratorium der Stiftung der Kreissparkasse Wiedenbrück
3. Verwaltungsrat, Bilanzprüfungs- und Risikoausschuss (jeweils Vorsitzender) der 10.400,00 € Kreissparkasse Halle, Kuratorium der Stiftung der Kreissparkasse Halle
4. Verbandsversammlung (unentgeltlich), Verwaltungsrat der Sparkasse Gütersloh, 2.150,00 € Kuratorium der Stiftung der Sparkasse Gütersloh


Im letzten Jahr hatte ich die Kommunalaufsicht im Kreis Gütersloh angeschrieben, also den Landrat, mit der Bitte um Prüfung, ob die personelle Verquickung zwischen Sparkasse und Rat der Stadt Gütersloh nicht bedenklich sei angesichts des Immobilien- und Grundstücksverkaufs von der Stadt an die Sparkasse. Die Kommunalaufsicht bescheinigte: alles in Ordnung.

Ein ähnliches Hinschauen ergibt sich auch bei der Tätigkeit für die Regionalgruppe Nord der RWE. Das Bundesverwaltungsgericht hatte angeordnet, die Zahlungen seien an die Funktion gebunden, daher abgabepflichtig an den Kreis. Die RWE hatte daraufhin ihre Berufungs-modalität geändert und die Berufung an die Person gekoppelt. So können die Mitglieder ihre Aufwände behalten. Also auch der Landrat, er muss diese Summe nun nicht mehr an den Kreis abführen. Die Summen sind beachtlich: 4.400 Euro, 7.400 Euro allein im letzten Jahr. Am 12.2.2014 hatte man sich im Kreis dazu entschlossen, die RWE-Aktien zu behalten. Der Landrat war gegen einen Verkauf.

4. Effizienz

Wenn der Landrat 35 Nebentätigkeiten ausübt, sind diese offenbar irgendwie mit seinem Posten als Landrat verbunden. Sonst säßer er dort sicher nicht. Einige sind Pflicht, einige nicht. Allein die Zahlungen zu veröffentlichen, reicht nicht. Es fehlt die Evaluation seiner Arbeit: Wie effektiv hat sich der Landrat in diesen Ämtern für das Wohl des Kreises eingesetzt? Oder für wessen Wohl? Was ist durch ihn für den Kreis dabei rumgekommen? Wie sieht die Leistungsbilanz aus und welche Inhalte kamen zustande? Das allein macht einen eigenen transparenten Bericht notwendig.


                                          Fotos ak 2012

5. Das Wahl-Kreuz gegen die Bürger 

Die Praxis der Nebentätigkeiten ist eine gängige. Und nicht allein ein Problem des Landrates und des Kreises Gütersloh. Was nachdenklich macht, ist die Tatsache, dass sich das System unhinterfragt zu verstetigen scheint. In den Sitzungsprotokollen im Kreisinformationssystem Gütersloh findet sich kein wirklicher Versuch der Politik, diese Verfahren auch nur annähernd zu hinterfragen. Eine öffentliche und gewählte Person muss sich und ihr Tun erklären können. Geldtransfers offenzulegen ist nur die Spitze des Eisberges.

In Zeiten der hochkomplexen Verquickung von Funktionen, Personen und undemokratischem Einflüssen Dritter einerseits und einem stärkeren Verlangen der Öffentlichkeit nach Transparenz und einer irgendwie gearteten "Aufrichtigkeit" liegt hier ein Anachronismus vor. Diese Praxis gehört dringend auf den öffentlichen Seziertisch bevor sie endgültig einen Totenschein für die Demokratie ausstellen kann.

Wer in der Kommunalwahl sein Kreuz beim direkt vom Volk zu wählenden Landrat macht, sollte ihm vorher Fragen stellen. Sonst wird das bisher alleinige Werkzeug der Demokratie, nämlich alle fünf Jahre auf kommunaler Ebene ein Kreuz zu machen, womöglich als Legitimation für das oben beschriebene System missverstanden und als "ihr habt mich gewählt" nicht für, sondern gegen den Wähler eingesetzt. 





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