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Donnerstag, 25. Dezember 2014

Oh Tannenbaum - als Partizipationsprojekt der Kirche oder wie acht Meter Frieden bringen

Auf vielfachen Wunsch hier nochmal meine Weihnachtsgeschichte von 2010 - ein Klassiker mittlerweile: 





Es begab sich aber zu der Zeit, als die Natur noch grün war. Die Bäume auf unserer Wiese sind zu groß für ein Wohnzimmer. Acht Meter. Schon im Sommer hegen wir die Idee, einen der herrlichen Tannenbäume der Kirche zu Weihnachten anzubieten. Eine der Prachttannen würde sich im Altarraum sicher gut machen. Alle Jahre wieder. Es sollte nicht irgendeine Kirche sein, sondern die Lukasgemeinde. Dort tauchen wir immer mal wieder gerne im sonntäglichen Gottesdienst auf, weil der junge Pastor mit den engelsgleichen Haaren so politisch ist.

Als der November seine letzten Tage fristet, rufen wir besagten Geistlichen an. Herr Pastor könne sich eine Tanne zu Weihnachten für seine Kirche aussuchen. Acht Meter, der Baum. Die Antwort des Gottesmannes am anderen Ende der Leitung ist ein klares Ja... Aber. Sein „aber“ setzt eine echte Weihnachtsbaumgeschichte in Gang. Generell nehmen wir die Tanne gerne, so der Gemeindehirte. Nun sei es so, dass ja die Kirche sparen müsse. Daher wüssten wir sicher, dass die Gemeinden zusammengelegt wären. Mit dem Ergebnis, dass es nun zwei Pastöre gäbe. Dieses Jahr sei „der Andere“ dran, mit Weihnachten und der Begrünung. Und die Gemeinde Lukas habe auch einen eigenen Tannenbaumbeauftragten. Der müsse befragt werden. Und selbstverständlich eingebunden. Der für das Jahresendgrün Auserwählte würde sich melden, versprach der Doppelspitzenpfarrer. Mit Erstaunen auf eine derart organisierte himmlische Schar gestoßen zu sein, legt mein Mann auf. Weiteres wollten wir abwarten. Der Baum stand ja noch im Saft. Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein auch im Winter, wenn es schneit.

Tage später klingelt das Telefon. Wieder nimmt mein Mann den Hörer ab und ist mit einem Herrn verbunden, der sich als Tannenbaumbeauftragter der Gemeinde Lukas vorstellt und erst in einem zweiten Atemzug seinen Namen nennt, den J. aber gleich wieder vergisst. Tannenbaum ist unser Stichwort, wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit ein Baum von dir mich hoch erfreut. Mein Gatte sieht sich schon mit Säge und Axt in Aktion. Doch vor jeden Schweiß hat der Herrgott die Gemeindedemokratie geschaltet. Herr Tannenbaumbeauftragter-der-Gemeinde-Lukas verkündet, er müsse sich den zum Geschenk vorgeschlagenen Baum zunächst einmal anschauen. Aber nicht allein. Sie kämen zu dritt, spricht er weiter und erklärt, wen er da mitzubringen gedenke. Vom Himmel hoch, da komm ich her. Das Wort Küsterin bleibt hängen, diese kennt sicher die geschätzte Höhe des Kirchenschiffes und das Maß des Baumes. Und Kaiser Augustus befahl, dass alle Welt sich schätzen ließe. Wir schmunzeln über die Zahl drei: Drei Weise aus dem Morgenlande. Das passte doch zu Weihnachten. Wir verabreden uns für den folgenden Tag. Um drei. Auf dem Hof. Die Bäume warten, bald ist Weihnachtsabend da.

Die Uhr schlägt dreimal. Unser Sohn sieht den weißen Wagen der Weisen auf den Hof fahren. Freundlicherweise nimmt er die Kirchenleute in Empfang und zeigt ihnen schon mal den Weg auf die Wiese. Diese Minuten nutze ich, um meine Gummistiefel anzuziehen und meine Arbeitsjacke. So bin ich eine passable Vertretung für meinen Holzfäller-Gatten, der noch nicht zurück ist. Wir treffen am Holzgatter aufeinander: die drei Tannenbaum-Experten-der-Lukas-Gemeinde, zwei Damen und ein Herr – letzterer wohl  hauptamtlicher Tannenbaumbeauftragter – und ich. Wir schütteln uns die Hände. Die drei Reisenden aus dem Matthäusland sind durchdrungen von der Bedeutung ihrer Entsendung. Durch der Engel Halleluja tönt es laut von fern und nah.

Wir steigen über das Gatter, macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Meine Stiefel leisten ihren Dienst. Die drei Weisen sacken mit ihren Halbschuhen tief ins nasse Grün. Die ältere Dame im aparten Arrangement in rosa übernimmt und eröffnet die Konversation. Ich bring Euch gute, neue Mär. Was für ein schöner Fleck Erde, spricht sie und kommt gleich zur Sache. Mein Pastor betont sie das Possesivpronomen, hat mich beauftragt, nicht nur einen Baum auszusuchen. Er bittet auch um das Restgrün für die Krippe, lässt sie mich wissen. Da liegt es das Kindlein auf Heu und auf Stroh. Sie sei ja Presbyterin der Gemeinde. Freue Dich, oh Christenheit. Was die Pastöre heute alles so wollten, führt sie weiter aus. Jeder hätte so seine  eigene Vorstellung. Christ ist erschienen, uns zu versühnen. Aha, antworte ich.

Die Dame Ohne-Rosa stolpert über die jungen Setzlinge, die sich im Gras versteckt haben und erst noch wachsen müssen. Alle sechs Augen der drei Weisen sind auf die großen Prachttannen am Ende der Umzäunung gerichtet. Auf diese zeige ich mit einer Handbewegung wie ein Bergführer auf eine Gipfelkette. Stattlich stehen sie da in Reihe und Glied: Blautannen, Nordmanntannen, Waldtannen. Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum wie grün sind deine Blätter. Dicht drängen sich die Äste und  eifern mit ihrem Grün um die Wetter als diese erste echte Begegnung zwischen Kirche und Baum stattfindet.Gnadenbringende Weihnachtszeit.

Vier Meter Fünfzig ist das Maß für den Christbaum. Vier Meter fünfzig von der Spitze bis zum Fuß. Das sind drei Meter fünfzig weniger als die Tanne in echt groß ist. Man kann sie höher abschneiden, beruhige ich die Rechnerei der drei Experten. Die Aufmerksamkeit auf diese echten Tannen währt nur einen Augenblick. Frau Rosa hat die weiche Omorika-Fichte entdeckt. Die Zarte. Sie steht ein wenig abseits vor den anderen Tannengehölzen. Auch sie ist  acht Meter. Die soll es sein, verkündet der rosa Engel der Lukasgemeinde. Wir übrigen drehen uns um. Erstaunt. Für einen Augenblick bin ich unsicher, ob mein Mann auch diesen Baum zum Schlagen freigegeben hat. Oh du fröhliche. Die drei umwandern die serbische Fichte, streicheln ihre weichen Tannenwedel. Kein Zweifel. Tanne, die Entscheidung ist da, heißa, dann ist Weihnachtstag. Vier Meter fünfzig. Das müsste passen, erklärt die Dame in Nicht-Rosa. Die Frauen sind sich einig. Der mitgebrachte Tannenbaumbeauftragte kann sich dem Diktum der Damen nicht widersetzen. Vier Meter fünfzig bestätigt auch er. Partizipation in der Kirche ist weiblich.

Auf dem Weg zurück plaudert Frau-Presbyterin-neben-dem-Pastor mit mir über Weihnachten. Und zählt ihre geplanten Kirchgänge in Reihenfolge der Feiertage auf. Neben ihr wirke ich wie ein lauer Christ, mit meinem Status des Selten-Gängers. Am Ende werde ich gefragt, was denn der Baum kosten soll. Nix, lautet die Antwort. In den Herzen ist´s warm, still schweigt Kummer und Harm, Sorge des Lebens verhallt. 

Den Baum in seiner ganzen Pracht abholen soll derweil ein anderes Gemeindemitglied. Dieser Mensch ist wiederum eigens für den Transport des Christbaums zuständig. Der Tannenbaumtransportbeauftragte. Und der dieses Jahr zuständige Doppelspitzenpastor auch. Wann das sein wird, solle telefonisch geklärt werden. Einmal werden wir noch wach.

Die Tage vergehen, wir versuchen Pastor Weihnachtsgrün zu erreichen. Pastor Weihnachtsgrün versucht es umgekehrt. Unsere elektronischen Anrufbeantworter lernen sich dadurch etwas besser kennen. Beide hinterlassen dem jeweils Anderen ihre Nachricht nebst der Versicherung, es später nochmals zu versuchen. Bei Anruf Nummer drei klappt es: Kirche trifft Spender. Am Samstag früh um zehn wollen sich Pastor und der zuständige Transportbeauftragte an nun schon bekannter Wiese einfinden. 

An besagtem Tag liegt eine dicke Schneedecke über der gefrorenen Wiese. Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See. Beim Morgengrauen stapfe ich mit meinem Mann über die Winterpracht und zeige ihm nochmals die serbische Omorika. Ein rotes Flatterband ist schon angebracht, damit nicht der falsche Baum in die Kirche gelangt. Die Säge röhrt und mit drei gekonnten Schnitten gleitet die Fichte zur Seite. Hilflos liegt sie im Schnee. Mit so viel Liebe und Frieden ist sie aufgewachsen. Möge sie gleiches in die Welt tragen, denken wir uns. Bald wird das Prachtgewächs geschmückt den Altarraum zieren. Wir warten auf die Kirchenleute. Der Transportbeauftragte trifft ein. Nein, er ist nicht mit einem Schlitten und Rentieren gekommen. Er hat einen winzig anmutenden Anhänger an seinem Auto mitgebracht. Auf diesem soll die Vierfünfziger-Fichte ins Lukasland gefahren werden. Beim Anblick der Omorika ist der gute Mann verwirrt. Die Tanne sei drei Meter lang, so hieß es, darum der kurze Hänger. Chor der Engel erwacht. Man könne den Baum kürzen. Nein, nein. Wir versuchen es mal. Flink fällt dann doch ein ganzer Meter Holz in den Schnee. Die Fichte auf ein neues Maß gebracht.  ...der Retter ist da. Nun sind es nicht vier Meter fünfzig, die gebraucht werden, sondern vier Meter fünfzig, die wegfallen. Wahre Größe steckt im Kern.

Der Anhänger mit himmlischem Auftrag ist von einer festen Plane umhüllt. Mit Stangen stabilisiert. Die Omorika-Schöne geht hier nie und nimmer rein, mein Mann - sagt nichts. Der Pastor Weihnachtsgrün fehlt. Partizipation ohne Obrigkeit. Die beiden Gegenwärtigen beginnen den Transport allein. Erste Hürde ist der Weidezaun. Drei Meter fünfzig Festholz mit Nadeln und Schnee sind eine Herausforderung für jeden Weihnachtsmann. Ächzend zieht und schiebt das Duo den Christbaum in spe bis kurz vors Ziel. Hört nur, wie lieblich es schallt. Dann erscheint der Pastor. Im Sonntagsstaat, mit passablen Gartenhandschuhen. Ein Seil fehlt, die ausladenden Ästen wären gebunden hilfreicher. Mein Mann hilft. Leider mag die grüne Serbin wahrlich nicht ganz in den Hänger passen. Die nun drei Männer schieben und pressen, dabei verschwinden die zwei Lukas-Weihnachtsbaum-Beauftragten-Gemeindemitglieder mit ihren Halbschuhen im Schnee. Wie eine Erleuchtung fällt dem Transportbeauftragten der Gemeinde ein, das Gestänge nebst Plane abzuschrauben... Erleichterung hält Einzug. Zentimeter für Zentimeter naht der Weihnachtsbaumspender dem Ziel, seine Spende den waltenden Händen der Kirche übergeben zu haben. O beugt wie die Hirten anbetend die Knie, erhebet die Händlein und danket wie sie. Schließlich ist der Lichterbaum gut verstaut. Auch an das Krippengrün ist gedacht. Macht mir auf das Stübchen.

Nun aber umkreisen tausende kleiner grüner Omorika-Äste den Hänger. Abgebrochen vom jungfräulichen Lukas-Christbaum liegen sie im dicken Winterweiß. Besorgt malt sich mein Angetrauter aus, wie zerrupft die Gute in der Gemeinde ankommen mag und hofft auf ein Wunder. Ist auch mir zur Seite still und unerkannt. Schließlich fehlt es an einer roten Fahne, die das Ende der Omorika im kirchendienstlichen Hänger signalisieren sollte. Immerhin ragt die Spitze nun doch gut einen Meter und etwas über die Reeling hinaus. Auch dieses Utensil können wir stellen. Am Ende muss der Geistliche hinter dem Christbaumtransport das Geleit geben und bei möglichen Pannen das Schlimmste mit Hilfe der himmlischen Mächte verhindern. Bleibt nur noch, den Hängeraufsatz später wieder einzuladen, der bis dahin einsam und wie eine Weihnachtskugel rot leuchtend in der Hofzufahrt verweilt und auf den Rückhol-Beauftragten der Kirche wartet. Partizipation bedeutet Hiob mit verteilten Rollen.

Wir verabschieden uns vom Trio - zwei Männer mit Baum. Wir bleiben derweil mit dem Hängergestänge und den schlimmsten Befürchtungen zurück: Nach einem Auffahrunfall mit Blechschaden bei Glatteis in der Kirche angekommen, passt der Baum nicht durch die Tür. Er wird gekürzt, weil er nicht um die Ecke geht. Nun misst die Fichte nur noch zwei Meter fünfzig. Zwei Köpfe größer als der Pastor. Nadeln und Ästchen säumen den Weg. ...wie grün sind deine Blätter. Beim Einstielen in den Weihnachtsbaumständer kippt der Baum, die Spitze kracht auf den Altar, ist unwiederruflich abgeknickt. Von den einstmals acht bleiben noch zwei Meter. Pastor und Baum nähern sich in der Höhe an. Ramponiert sieht das Bäumchen bemitleidenswert aus. Der Verlust macht ihn fast durchsichtig. Der Stamm rückt in den Blickpunkt. Da können auch die  bunten Kugeln und der Stern als Krone nichts mehr ändern. Die einst schönste Fichte passt nun in die Ecke - vor dem Engel des Erbarmens – fehlt nur, dass ein Zweig beim Entzünden der Kerzen noch Feuer fängt und schließlich kaum ein Stummel von einem halben Meter Restgehölz auf einem Hocker steht, damit die Gemeinde das Bäumchen überhaupt sehen kann ...da uns schlägt die rettende Stund.

Aber nein. So endet die Geschichte nicht. Mit Mühe zwar landet die Fichte zunächst im Eingangsbereich der Gemeinde. Es ist nicht schlimm, dass der Chor nun nicht mehr in die Kirche rüberwechseln kann, weil die schöne Grüne mitten im Weg liegt und weder links noch rechts ein Vorbeikommen möglich macht. Gerne nimmt man beim Anblick der weichen Äste einen Umweg in Kauf. Nach dem Gottesdienst wird sie geschmückt. Hierfür sind eigens Christbaumdekorationsbeauftragte ernannt: einer für die Kugeln, eine für die Kerzen; die Restgemeinde fürs Lametta. Wie weich sind die Zweige! Die vormals schlicht-grüne Fichte erstrahlt in wahrem Glanz. Stille Nacht, heilige Nacht.
Am Heiligen Abend erscheint die Gemeinde, eine Schnittmenge von Beauftragten mit Weihnachstspezialeinsätzen und dem Rest der Gläubigen, erfürchtig zum Kirchgang. Pastor Weihnachtsgrün steht im Talar am Altar – gerade rechtzeitig zurück von einem Dankbesuch bei uns auf dem Hof: Nun kann die Gemeinde getrost sich zum Baume wenden. Ihr Kinderlein kommet. Was für ein Leuchten, was für eine Freude. Weihnachten ist da. Die Spitze der ehemals Acht-Meter-Omorika lenkt den Blick der Christenschar in den hohen, leeren Raum des Kirchenschiffes. Ein Ort, sonst verlassen und unbeachtet, wo sich nur die Klänge der Orgel sammeln und die Gebete sich bündeln. Die Fichte hat ihn trotz fehlender Höhe erreicht mit ihrer Liebe und ihrem Frieden. Ehre sei Gott in der Höh´. Himmlische Heere jauchzen Gott Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit!

Dienstag, 23. Dezember 2014

Stadtentwicklung - vom Einkaufen zum Lebensraum

Weihnachten -  noch einen Moment bleibe ich mal im Bild des Online-Shoppings. Mit den gerade noch frischen Eindrücken des Einkaufsverhaltens der Menschen aus Gütersloh und Umgebung frage ich mich, wie sich die Innenstadt künftig verändern wird - wenn sich das Einkaufsverhalten weiter ändert.

Weihnachtsshopping ändert sich
Eines ist deutlich: online und online-shopping sind nicht mehr wegzudenken. Schon unsere Generation hat sich darin deutlich etabliert. Und wenn ich höre, wie viele Silversurfer dieses Jahr ein Tablet geschenkt bekommen...


Es lohnt sich, bei der künftigen Stadtentwicklung auch diesen digitalen Aspekt deutlicher als bisher mit ins Blickfeld einzubeziehen. Digital muss keine Konkurrenz sein, man kann beides kombinieren. Für den doch sehr auffälligen Leerstand in der Innenstadt aber ist es zentral, die künftig sehr rasante Entwicklung in diesem Sinne mitzubedenken. Warum nicht dazu mal "öffentlich nachdenken" ? Warum nicht mal in die Welt hinausschauen, wie das anderswo gelingt?

Auch ist es spannend, den Gedanken der Innenstadt als Lebensraum weiter zu entwickeln. Da fehlt noch eine ganze Schippe an Ideen und Innovationen für die Stadt. Auch in Gütersloh zeichnet sich der Trend ab, dass viele Wohlhabende künftig im Zentrum wohnen werden. Menschen, die jetzt ihre großen Häuser mit Garten am Stadtrand verkaufen oder verkauft haben, um ihren seniorischen Lebensabschnitt im Zentrum, nah an Kultur und Leben zu verbringen. Wird die Innenstadt daher zu einem neuen besseren Vorort? Ist Gentrifizierung nicht längst Thema, auch hier?


Bei der aktuellen Aufbruchstimmung, die gerade auf dem Wellerdiek-Gelände verbreitet wird, frage ich mich, ob in diesen Hallen demnächst nicht auch der erste 3-D-Drucker in der Innenstadt steht - und damit eine neue Ära einleitet?

In Aachen etwa steht solch ein 3-D-Drucker bereits (zwar noch in der Hochschule) aber für die Zivilgesellschaft offen zugänglich. Gerade zu Weihnachten haben viele Neugierige dieses "Ding" ausprobiert und genau nach Trend ihre individuellen Geschenke fertigen lassen. Auf diesen Geschmack kommt man auch in Gütersloh sicher bald. 

neue Ideen gefragt  

Und auch zu den Bushaltehäuschen in der Stadt noch ein neuer Aspekt: im Zentrum der Debatte sollten die Busse stehen - und ein höheres Fahrgastaufkommen angestrebt werden. Ohne Nutzer machen Wartehäuser wenig Sinn. Und wenn die Dinger dann betrieben werden, von wem auch immer, wenn denn mal transparente Zahlen auf den Tisch gelegt werden, dann muss jedes dieser Häuser mit Freifunk ausgerüstet sein - eine smarte Idee von Freifunk Gütersloh.

             mehr Phantasie ist möglich...        Fotos: ak 2014






Donnerstag, 18. Dezember 2014

Online Shopping mal anders


Dieser Tage bekam der Begriff „Online-Shopping“ eine ganz andere Bedeutung für mich:

Ich stand in einem Bekleidungsgeschäft, welches sonst eher von jüngeren Mädchen besucht wird - das mit dem 8. und 13. Buchstaben im Alphabet. Versunken in meine eigenen Gedanken schob ich die reduzierten Pullover von rechts nach links und konnte mich nicht entscheiden.

              Wolle weihnachtlich      Foto: ak 2014

Plötzlich stand ein junger Mann Anfang dreißig hinter mir. Er hielt sein Handy ans Ohr und sprach ziemlich hektisch: 

„So, ich bin jetzt in der Ecke mit den Pullis. Wo soll das sein?“

Die Antwort am anderen Ende der Leitung konnte ich natürlich nicht hören. Ich sah nur das offensichtliche Ergebnis: er kam näher zu mir. 

„Und welchen?“ fragte er in sein Smartphone, das mit dem Apfel, ich konnte es am Weiß erkennen.

Wieder hörte ich nichts, sondern verfolgte seine prompte Handlung: Der blaue Pulli mit dem skandinavischem Muster glitt vom Bügel in seine Hand. 

„Welche Größe braucht sie denn, hier steht XS, passt das?“

Offensichtlich nicht, denn das Wollmuster wanderte zurück auf die Stange.

Er schob nun mich beiseite, „Schuldigung, darf ich mal  kurz?“ und kramte weiter, drehte die Etiketten der blauen Pullis der Reihe nach um.

„Nee, finde ich nicht“. Pause und ein Schritt zurück vom Regal.

„Ja, es gibt die auch noch in rot und in weiß“, gab er Rapport.

„Dann kriegt sie eben einen in rot, ist doch auch schön!“ setzte er fort, jetzt noch deutlich weniger entspannt als zu Beginn seiner Suche.

„Ja. Gibt es. Habe ich. Rot in M.“

„Och nein, also jetzt habe ich doch einen! Warum das jetzt?" Pause. "Hmh", folgte gequält. Pause. "Wo soll das denn sein?“

„Ich sehe hier keine Rolltreppe“ er schaute sich um. „Wo?“

Hilfesuchend hielt er Ausschau, nahm sogar das Phone vom Ohr als ob er diesmal seinem Lotsen am anderen Ende doch nicht bedingungslos vertraute.

Mit einer Drehbewegung hängte er den doch nicht gewählten Roten in M zurück ins Regal und machte sich auf den Weg … wie ferngesteuert.

„Ja, mache ich…“ hörte ich ihn noch sagen, dann verschwand er hinter dem Kleiderständer mit Röcken in Richtung Rolltreppe.

So kann OnlineShopping also auch funktionieren, dachte ich mir: da sitzt jemand zuhause oder sonstwo - vielleicht im Café oder in der Tiefgarage, mobil alles möglich - und steuert einen realen Anderen online wie einen Kaufavatar durchs Geschäft.

Ich hoffe, seine Shoppingliste ist abgearbeitet, bis er sein Smartphone wieder aufladen muss.

Freitag, 12. Dezember 2014

Kostenlos und frei: WLAN für öffentl. Gebäude

Wie wäre es mit freiem WLAN in allen öffentlichen Gebäuden? Auch in Gütersloh? Die Freunde und Eingeloggten von Freifunk Gütersloh sind da ja schon deutlich unterwegs. Gut so. Leider sind sie bisher etwa am Rathaus gescheitert. Da gibt es das nicht. Darf man nicht, heißt es.

Jetzt bekommen die Freifunker und Internetnutzer Verstärkung von besonderer Seite - von der Bundeskanzlerin und der CDU: 

Der HabbelBlog hat es bereits gemeldet: Auf dem gerade vergangenen Parteitag in Köln "hat die CDU durch einen Beschluss die notwendige Rechtsänderung im Telemediengesetz zur Störerhaftung noch einmal bekräftigt, um so kostenloses WLAN in allen öffentlichen Gebäuden, in der Bahn und auf Flughäfen zu ermöglichen. Ebenso sollen zum Beispiel Restaurants, Cafés, Hotels und andere Einrichtungen öffentlich zugängliches WLAN anbieten können, ohne für eventuellen Missbrauch durch die Nutzer haften zu müssen.
Bereits im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD sind diese Forderungen schon enthalten. Es bleibt zu hoffen, dass durch diese Bekräftigung auf dem Bundesparteitag der CDU der Gesetzgeber jetzt auch schnell handelt."


Interessant ist, dass sich auf Twitter genau der Bürgermeister gemeldet hat, der seine eigene Stadt Arnsberg schon sehr vorbildlich fast flächendeckend mit Freifunk ausgerüstet hat: 
Ich habe ihm geantwortet, er solle doch gerne mal sein Rezept für den Erfolg verraten. Vielleicht fragen jetzt auch noch mehr bei ihm nach.

Zudem habe ich bei Detlev Buschkamp von Freifunk Gütersloh, warum WLAN so essentiell ist - hier seine Antwort: 




Freitag, 5. Dezember 2014

4. Treffen OWL - die digitale DNA verbreitet sich

Unser Netzwerk #owldigital bekommt immer mehr Luft unter die Flügel. Es zieht Kreise. Schön, dass auch das Gütersloher Stadtmagazin GT-Info das Thema aufgegriffen hat. Ein schöner Brückenschlag von Online und Print. 


Das 4. Treffen im November (25.11.) in der Weberei Gütersloh und damit im Bürgerkiez war zugleich eine Premiere: Wir hatten zum ersten Mal einen Referenten eingeladen - Willi Kaczorowski. Er hat gerade das Standardwerk in Deutschland herausgegeben "Die smarte Stadt", welches alle Handlungsfelder beleuchtet, die diesen Wandel beinhaltet. Ein Must für alle Kommunalgestalter. Zudem war er gerade auf dem WorldSummit zum Thema "SmartCity" in Barcelona.




Eine komplette Wiedergabe wäre seitenfüllend, hier einige der Highlights, die Impulse auch für uns sind. Mein heutiger Post auch mit dem Einblick gepaart, wie fix heute das gesprochene Wort über Twitter verbreitet wird:

Kaczorowski erklärt, Digitalisierung sollte als Teil der Daseinsvorsorge betrachtet werden und sei damit hoheitliche Aufgabe - und nicht nur das, er sprach auch davon: 

Schon alleine dieser Umstandt würde eigentlich ein „Recht auf Breitband“ mit sich bringen.
Breitband sei die Grundvoraussetzung, dass Städte und auch ländliche Räume künftig überhaupt eine Chance haben, weiter an Wertschöpfungsketten angebunden zu bleiben. Da gibt es noch viele Baustellen. (Ja, kann man da nur kommentieren, gerade in Gütersloh rutscht die Diskussion dazu ab ins Reich der obsoleten Telekom.)

Kaczorowski bekräftigt eindeutig, der Grad der Digitalisierung sei auch entscheidend dafür, welche (innovativen) Branchen sich in den Städten ansiedeln - und künftig noch angezogen werden. Das habe Auswirkungen auf den Standort an sich, also sei Digitalisierung als Standortfaktor zentral. Schon jetzt.

Er nannte u.a. das Beispiel "Gesundheit und Pflege":
„Smart-City-Ansatz“ kann dazu führen, dass zu pflegende Personen länger zu Hause leben können. In der Überlegung sind etwa die Überprüfung von Vitalfunktionen über Ferndiagnose. Nicht unerheblich sei dabei die soziale Anbindung: Skype, Facetime usw. helfen schon heute, die räumlichen Distanzen von Familien zu überbrücken, die nicht selten im ganzen Land verteilt leben. Auch die Versorgung spricht er an und weist auf künftig digitale Möglichkeiten der Bestellung von Lebensmitteln, Kleidern usw. hin. 


Andererseits werden bessere Möglichkeit zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf durch mobilen Arbeitsort ermöglicht; gleichzeitig bedeutet das ein verringertes Verkehrsaufkommen. Auch das ein Aspekt von Mobilität: 

Digitale Auswirkungen

Diese kurzen Anrissen zeigen, welch weitreichende Auswirkungen Digitales auf das Leben vieler Personen hat und die Lebensqualität sehr steigern kann. 


Ein ähnliches Bild ergebe sich auch für die Bildung, für die es durch die Vernetzung von den Bildungseinrichtungen wesentlich bessere Reichweiten gibt, individuelles Lernen ermögliche, auch das lebenslange Lernen fördere. Eine besondere Rolle könnten hier künftig die Bibliotheken einnehmen: sie wandeln sich zu Wissenszentren.


Veränderung ergibt sich schon alleine dadurch, dass sich auch die Arbeitsprozesse ändern, sie werden smart. Oft passiert in den Kommunen dann etwas, wenn der Druck der Wirtschaft vor Ort auf die Kommunen steige, hier aktiv zu werden und eine bessere Versorgung zu erreichen. Unbedingt gilt das auch für den Mittelstand. Der Appetit auf Breitband kommt beim Essen, sagt Kaczorowski und spielt damit elegant auf den stetig steigenden Bedarf an schnellem Internet an. In der Arbeitswelt und in der Welt der Zivilgesellschaft gleichermaßen. 

Eine ganz besondere Rolle komme dabei der Wirtschaftsförderung zu, die künftig viel deutlicher in einer „Orchestrierungsrolle“ wirken müsse, da diese am besten den Mittelstand „mitnehmen“ kann und die wichtigen Player innerhalb einer Kommune an den Tisch bringen kann, um etwas voran zu bringen. 


Eine (von vielen) spannende Frage kam in der Diskussion auf: 


Welche Auswirkungen kann die Digitalisierung auf die Konversionsflächen haben? 
Kaczorowski meint: Zehn Jahre sind in der digitalen Entwicklung nichts. Vor 10 Jahren sprach kaum einer von Amazon. Doch der digitale Wandel ist schnell, viel schneller in seinen Wirkungen als bisherige Veränderungen das waren. Politik aber reagiert in Zyklen - das sei nicht mehr kongruent zu den Bedürfnissen heute. Die Ansprüche wachsen etwa besonders bei denjenigen, die mit Digitalem grossgeworden sind. Es gilt hier klug zu denken - und die Möglichkeiten vorauszunehmen. Ein Beispiel ist sicher Nokia. Ein Beispiel ist die Veränderung in der Autoindustrie mit Trend zum AutonomenAuto. Und ein weiterer Trend zeichnet sich ab: künftig kommt die Wirtschaft wieder in die Cities - es reiche, wenn etwa ein moderner 3-D-Drucker im Zentrum stehe. 
Der Abend war spannend, inhaltlich und auch netzwerktechnisch. Wir machen weiter, Ende Januar 2015 findet das nächste Treffen statt. Ideen liegen schon vor. Wir sammeln weiter.  

Wer sich weiter über #owldigital informieren möchte, kann das tun - auf Facebook und auf Twitter oder auch face-to-face. Der #owldigital ist gesetzt. Alle Interessierten sind eingeladen, mitzumachen oder einfach nur dabei zu sein. 







Dienstag, 2. Dezember 2014

Blick in die Geschichte zeigt Zukunft auf - Breitband

Wir stehen vor einer erneuten Zeitenwende. Auch Gütersloh muss sich entscheiden, welche Weichen die Stadt stellen will: Breitbandversorgung in kommunaler Hand - ja oder nein?! Nicht gleich abwinken bei dem Thema! Denn: hier sei ein kleiner Blick in die Stadtgeschichte erlaubt, der ganz unglaublich Interessantes hervorbringt.


Die Stadt Gütersloh hat eine erstaunliche Geschichte des Aufstiegs von einem Dorf zu einer beachtlichen Stadt mit Industrie von Weltgeltung hinter sich. Vor nun fast genau 100 Jahren standen die Stadtväter vor einer genau so großen Entscheidung, ob sie die Stadt elektrifizieren sollte - oder nicht. Damals war Elektrizität bahnbrechend Neues, nur Wenige waren am "Netz" angeschlossen.

Es lebe der Strom

Ende der 1890er Jahre hatte die Absatzentwicklung an Gas hatte ihren Höhepunkt erlebt. Der Verbrauch war hoch, aber nicht mehr wachstumsfähig, die Elektrizität war im Kommen: die Fabrikbetriebe gingen schon langsam vom Gas zum elektrischen Lich über. Vorreiter waren etwa die Gütersloher Betriebe wie Gebr. Bartels, Güth& Wolf, Gütersloher Weberei etc. und auch Firma Miele. Auch der Bahnhof stieg auf elektrisches Licht um. Erste kleine Netzwerke mit Strom gab es bereits, einige im Stadtgebiet. Die Betriebe hatten allerdings alle für sich selbst gesorgt und sich eigene Versorgungen organisiert. 

Eine erste Begründung für einen möglichen Umstieg auch in der Stadt Gütersloh von Gas auf Elektrizität findet sich in den Verwaltungsunterlagen mit dem Argument, Gas reiche künftig nicht mehr aus. Zudem verblassten mittlerweile die technischen Möglichkeiten der Gasleuchten. Sie wurden zunehmen unbrauchbar und waren für die gestiegenen Anforderungen an sie nicht mehr leistungsfähig genug. Zudem trat die Glühbirne 1911 auf die Weltbühne und setzte Maßstäbe.

Die Realität ist schneller.... 

"Die Gütersloher Stadtverwaltung demonstrierte dennoch Gelassenheit. Eine "tötliche Konkurrenz" für das Gaslicht wurde im Verwaltungsbericht für 1896 bis 1907 ausgeschlossen." Doch 1909, zwei Jahre nach seinem Erscheinen, hatten sich neue Ansichten durchgesetzt. Es wurde eine Elektrizitätskommission eingesetzt. 



Mitglieder der 1909 eingesetzten Elektrizitätskommission waren die Herren Wolf, Niemöller, Schmäling und Flöttmann, sie befassten sich mit einem Angebot der RWE. Diskutiert wurde die Wirtschaftlichkeit und ob sich eine Versorgung bei wenigen Abnehmern überhaupt rentiere. Allerdings blieb die positive Grundstimmung in Richtung E-Werk bestehen. 

Umfrage zeigt Bedarf

1910 machte dann die Stadtverwaltung eine Umfrage im alten Stadtgebiet und fragte in einer Einwohnerbefragung (!) und nicht etwa nur bei Betrieben das "Bedürfnis nach elektrischer Energie" ab. Das Ergebnis war eindeutig: der Bedarf war deutlich erkennbar. Die Stadtverwaltung erarbeitete eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für ein städtisches Elektrizitätswerk mit eigener Stromversorgung, da liefen gleichzeitig Angebote von drei Anbietern ein. Verkürzt: die Lieferung kam von außen, doch erlaubte der Vertrag, dass das Elektrizitätswerk an die Gemeinden liefert und diese ihn an die Einwohner verkaufte, in welchem Falle die Gemeinde das Verteilungsnetz innerhalb der Gemeinde selbst bauen und unterhalten muss. 
Um eine aktuelle Planung des Netzes vornehmen zu können, wurde eine zweite Umfrage gemacht. Das Ergebnis zeigte noch deutlicher als die erste Umfrage, wie enorm der Bedarf in der Bevölkerung gestiegen war: die Anzahl der benötigten Lampen hatte sich demnach in nur einem Jahr verdoppelt. 

Geld für richtige Entscheidung 

Im Dezember 1912 verabschiedeten die Stadtverordneten auf Antrag des Magistrat ein solches Projekt des Netzbaus und genehmigten die Anleihe von 300.000 Mark. 
Zugleich wurde eine ElektrizitätswerkKommission eingerichtet, die für die Ausschreibung zuständig sein sollte.

1913 wurde der Auftrag zur Erstellung eines eigenen Leitungsnetzes und der Transformationseinrichtungen erteilt. Die eigentliche Lieferung verzögerte sich zwar, aber Fakt war: der Strom floss durch stadteigene Netze.

In der Versorgung der Außenbezirke wurden zudem acht weitere Bürgerversammlungen durchgeführt. Vier der Ortsteile bekannten sich ebenfalls dazu, Strom abzunehmen, 1914 floss auch hier Strom. Mit den übrigen wurden gesonderte Vereinbarungen getroffen, in Pavenstädt, Gütersloh-Nord bis zur Berliner Straße floss jedoch kein Strom, hier hatte man sich anders entschieden. 

1914 begann der Erste Weltkrieg, die Weltgeschichte setzte andere Prioritäten.

Die Quelle für diesen geschichtlichen Abriss und das verwendete Foto ist die Chronik zum 125-jährigen Bestehen der Stadtwerke Gütersloh "Die Stadtwerke Gütersloh 125 Jahre", die 1987 von Stadtarchivar Günter Beine erstellt wurde.

Fazit: 

Grundsätzlich kann man diese geschichtliche Weichenstellung in Gütersloh als Blaupause für die heutige Entscheidung sehen: wir stehen heute vor genau der gleichen Herausforderung - flächendeckende Breitbandversorgung gehört in kommunale Hand. Dieser Forderung kann man nicht die kalte Schulter zeigen. 

Noch heute profitieren Stadtwerke und Stadt von den Netzen, in anderen Orten werden Netze händeringend zurückgekauft. Netzbesitz ist Macht und Gemeinwohl. Das ist auch bei der Digitalisierung nicht anders.